Donnerstag, 15. November 2007

MYRC

An zwei Tagen in der Woche fahren wir ins Manila Youth Reception Center (MYRC). Wir spielen dort Basketball mit Jugendlichen, die mit dem „Gesetz in Konflikt“ gekommen sind. Die Burschen haben normaler Weise keine Moeglichkeit (oder nur eine aeusserst begrenzte) sich koerperlich zu betaetigen. Darum ist es fuer sie eine willkommene Gelegenheit, wenn wir mit ihnen im Freien Sport machen und die Jugendlichen fuer ca. eine Stunde die Zelle verlassen koennen. Jedes mal wenn wir an den Zellen vorbeigehen kommen sie zum Gitter, strecken uns die Hand zum abklatschen heraus und fragen uns, ob wir mit ihnen Basketball spielen.

Die Burschen im MYRC warten auf ihre Gerichtsverhandlung, was bis zu einigen Monaten, in wenigen Faellen sogar bis zu einigen Jahren, dauern kann. Zur Zeit befinden sich dort ca. 120 Jugendliche, die lediglich auf vier Zellen aufgeteilt sind (in jeder Zelle um die 30 Burschen!!). Eine Zelle hat ungefaehr 30 m2 und ist so gut wie gar nicht ausgestattet. Es gibt weder Betten, Matratzen, Schlafzeug oder sonst etwas. Sie haben am schmutzigen Boden (es ist nur der Estrich vorhanden!) zu schlafen und wenn sie etwas bequemer liegen moechten, verwenden sie ein Koerperteil eines Zellengenossen. Waschmoeglichkeit und Sanitaeranlage sind zu finden, aber nicht auf den ersten Blick erkennbar. Sie befinden sich auf einer Seite der Zelle, sind von vorne komplett offen zugaenglich und nur eine ca. 1,40m niedrige Mauer trennt den Wasserhahn (zum Duschen) vom Loch (fuers kleine und grosse Geschaeft). Es ist sooo unvorstellbar, wie die Burschen hier leben muessen/koennen!!!

Wenn du die Haeftlinge fragst, ob sie sich wohl fuehlen, oder wie sie mit den fuer uns unvorstellbaren Verhaeltnissen zurechtkommen, sagen sie, dass sie es eigentlich gar nicht so schlimm finden! Denn hier haben sie jeden Tag dreimal etwas zu essen, was sonst nicht selbstverstaendlich ist. Ausserdem haben sie ein Dach ueber dem Kopf und eine geringe medizinische Versorgung. Das was fuer sie schwer zu ertragen ist, ist der Umstand, dass sie eingesperrt sind.

Im selben Areal, aber in einem anderen Gebaeude, befinden sich noch ein Gefaengnis fuer Maedchen (in diesem waren wir bis jetzt noch nicht) und ein ganz spezielles Gefaengnis. Wenn sich naemlich zu viele Jugendliche ohne festen Wohnsitz auf der Strasse herumtreiben, dann kommen sie in dieses Gebaeude. Sie werden dort ohne konkreten Grund auf unbestimmte Zeit (wenige Wochen) festgehalten, nur damit die Strassen etwas „gesaeubert“ sind. Spaeter werden sie dann wieder freigelassen. Es ist auch schon einmal vorgekommen (das wurde uns berichtet), dass die Regierung mehrere Strassen nur aufgrund eines Staatsbesuches „saeubern“ liess. Dafuer wurden fuer einige Tage fast alle auf diesen Strassen lebenden Maenner, Frauen und Kinder ins MYRC gesteckt, sodass das gesamte Areal mit Menschen gefuellt war. Wie Sardinen hatten sie sogar im Freien am Basketballplatz zu stehen (nach genuegend Sanitaeranlagen oder ausreichendem Essen braucht nicht gefragt zu werden…).

Sehr beeindruckend ist die Fingersprache, die die Burschen aufs perfekteste beherrschen. Durch die Gitterstaebe hindurch koennen sie so mit Burschen in anderen Zellen oder sogar den Maedchen im Gebauede gegenueber kommunizieren. Damit die gewuenschte Person zum Gespraech kommt, gibt es bestimmte „Klatschsignale“. Dann verblueffen uns die Jugendlichen immer wieder aufs Neue wenn sie zu „reden“ beginnen. Unglaublich wie schnell sie ihre Finger bewegen koennen und darin auch noch Woerter erkennen…

Samstag, 10. November 2007

5-Tagestrip in den Norden

Direkt nach dem Familienseminar hatten wir fuenf freie Tage (29. Okt. bis 2. Nov.), an denen wir in den Norden der Philippinen – dort ist das Gebirge – fuhren. Eine sehr aufregende, spannende und doch auch etwas erholsame Zeit. Unsere Route: Manila – Batad (Reisterassen, Wasserfall) – Banaue (Reisterassen) – Sagada (haengende Saerge, Hoehlen) – Baguio (Sommerhauptstadt der Philippiner) – Balanga. :-)

Um elf Uhr in der Nacht fuhren wir von Manila aus Richtung Banaue. Ueber 7 Stunden hatten wir in dem voellig ueberkuehlten Bus zu sitzen. Das Problem bei allen grossen Busunternehmen ist, dass sie eine zu gute Klimaanlage haben, diese staendig auf Hochtouren laeuft, einem kalte Luft ins Gesicht blaest und sich nicht abstellen laesst. Jetzt kenne ich das Gefuehl, wenn einem wirklich kalt ist… (einige Leute wissen, dass ich eigentlich weniger empfindlich auf kaeltere Temperaturen bin. Jetzt – auf den Philippinen!!! – wurde ich eines Besseren belehrt…). Bin also selbst ueberrascht, noch keine groessere Verkuehlung bekommen zu haben…

Angekommen in Banaue machten wir uns dann auf den Weg nach Batad. Zuerst eine kurze Jeepneyfahrt und anschliessend 3 Stunden Fussmarsch quer durch das Gebirge. In Batad hat Gina, ein junges Maedchen aus der SOL (School of Life, das Maedchenprojekt der Schwestern), einen Onkel bei dem wir uebernachteten. Das winzige Dorf Batad ist deshalb so bekannt, da es in der Mitte einer riesigen Reisterasse liegt. Ausserdem ist es nur zu Fuss zu erreichen. Die Reisterassen sind allein schon aufgrund ihrer Groesse imposant. Wenn man sich dann auch noch vorstellt, dass Menschen ueber 2000 Jahre lang mit einfachsten Werkzeugen daran gearbeitet haben, wird es fast unvorstellbar. Am naechsten Morgen machten wir uns auf den Weg zum Wasserfall von Batad. Dabei gingen wir quer durch die Reisfelder und bestaunten deren gigantisches Bewaesserungssystem. Von ganz oben fliesst Wasser an bestimmten Stellen auf jede Terasse hinunter. Unglaublich wie auf jeder Terasse gleich viel Wasser sein kann…
Beim ca. 30m hohen Wasserfall konnten wir schliesslich zum ersten Mal unsere Seele baumeln lassen und genossen um 9 Uhr morgens eineinhalb Stunden lang die Sonne und frisches kuehles Wasser (Ideal: ca. 19 Grad)! Leider bedankte sich die Sonne bei uns mit einem Sonnenbrand…

Auf dem Rueckweg nach Banaue erlebten wir nach unserem Fussmarsch die mit Abstand aufregendste Jeepneyfahrt. Zuerst dachten wir, nicht mehr mitfahren zu koennen, da sich selbst schon am Dach einige Leute einen Sitzplatz gesucht hatten. Die herzlichen Philippiner wollten uns aber nicht zuruecklassen und baten uns somit aufs Dach. Wir meinten anschliessend wieder, der Jeepney sei nun wirklich vollbesetzt (die Fahrt ging ausserdem im wahrsten Sinn des Wortes ueber Stock und Stein). Doch der Fahrer konnte auch weitere Leute nicht zuruecklassen, sodass wir schlussendlich zu zwanzigst am Dach sassen. Wieder einmal etwas unvorstellbares: die Belastbarkeit eines Jeepneys (das sind uebrigens Militaerfahrzeuge aus der amerikanischen Besatzungszeit die von den Philippinern umgebaut wurden).

In Banaue selbst konnten wir vom ViewPoint aus die weltberuehmte Aussicht auf die riesigen Reisterassen geniessen. Unsere letzten Highlights der Reise befanden sich in Sagada: ein kleiner Wasserfall, haengende Saerge und begehbare Hoehlen (Wir bemerkten sofort, dass Sagada ein touristischer Ort ist, denn wir wurden diesmal nicht wie „Ausserirdische“ bewundert und auch nicht mit „Hey Joe“ angesprochen). Letzteres war am aufregendsten, da wir uns in den Hoehlen zuerst mit Flip-Flops, dann sogar ohne Schuhwerk fortbewegten und stellenweise durch huefthohes Wasser mussten. Ich denke jedoch, dass die Fotos fuer sich sprechen…

Der Rueckweg nach Balanga fuehrte uns noch nach Bagiou. Sie ist die Sommerhauptstadt der Philippiner und wir erkundeten sie mit drei Koreanern, einem Amerikaner und einer Schwedin die wir in Sagada kennenlernten. Wenn es sich Philippiner leisten koennen, dann ziehen sie sich in diese Gebirgsstadt zurueck. Kein Wunder bei den angenehmen Temperaturen um die 25 Grad.

Nach unserem Trip mit den anstrengenden Fussmaerschen und den langen Stunden im Bus brauechten wir eigentlich einen Erholungsurlaub. :-) Nichts desto trotz sind wir froh, endlich einmal etwas von der wunderschoenen Landschaft der Philippinen gesehen zu haben!

Johannes

Familienseminar in Balanga

Einmal im Jahr findet das so genannte „Familienseminar“ statt. Hinter diesem steckt die Idee, dass die Familien, vor allem speziell die Vaeter und Muetter der Maedchen und Burschen, staerker in den Heilungsprozess der Jugendlichen mit einbezogen werden. Oft gruenden die Probleme ihrer Kinder in gestoerter oder mangelnder Beziehung zu ihnen. Leider ist es oft so, dass die Probleme von Generation zu Generation weitergegeben werden. Dies haengt damit zusammen, dass schon die Eltern der Jugendlichen in ihrer Kindheit zum Teil missbraucht wurden, oder zum Teil in schwierigsten Verhaeltnissen aufwuchsen. Oft lernten sie nur schlecht mit ihrer eigenen Situationen zurecht zu kommen und so kam es, dass sie nicht faehig waren ihren Kindern eine „gesunde“ Kindheit zu ermoeglichen. Dieses Rad an Hass, Angst und Armut sollte unterbrochen werden, indem diese Woche bewusst fuer die ganze Familie der Jugendlichen gestaltet war.

Heuer standen diese Tage unter dem Aspekt der Generationsunterschiede („Generation Gap“). Die Eltern wuchsen in einer Diktatur auf, ihre Kinder leben in einer Demokratie und sind mit den neuen Verhaeltnissen einer offenen Marktwirtschaft konfrontiert. Es prallen also unterschiedliche Ansichtweisen und Zielvorstellungen aufeinander. Die Familiengeschichte aufzuarbeiten und sich den unterschiedlichen Vorstellungen zu stellen, dazu waren wir zusammen gekommen.

So spielte sich in Bataan (Provinz noerdlich von Manila) fuenf Tag ein vielfaeltiges Programm ab. Neben den Vortraegen und Programmpunkten fuer die Jugendlichen und Eltern gab es außerdem ein buntes Programm fuer die Kinder.
Drei Tage verbrachten wir in Balagna, zwei in einem Jugendcamp (sehenswerte Bambushuetten) ca. eine Autostunde von Balagna entfernt.

Inhaltlich wurde gearbeitet zu den Ereignissen der Marcos Zeit (Marcos war in den 70ern und 80ern ein Diktator, der das Land wirtschaftlich und moralisch ruinierte), zu den Rechten der Kinder und Jugendlichen (hier gab es eine hitzige Diskussion zwischen den Eltern und den Jugendlichen) und ueber die Familiengeschichte (anhand eines Familienstammbaumes).
Aufgelockert wurden die Arbeitseinheiten mit verschiedenen Gemeinschaftsspielen und vor allem auch durch den bunten Abend, am letzten Tag. An diesem gingen Internationale Taenze ueber die Buehne, ein Theaterstueck wurde zum Besten gegeben und obendrein feierten wir das 10jaehrige Jubilaeum unserer Organisation (ACAY – Association Compassion Asian Youth)!

Auch der Ortsbischof stattete uns einen kleinen Besuch ab. Fuer uns drei Voluntaere aus Oesterreich, war es eine Freude, als wir hoerten, dass auch ein Priester aus unserer Heimat die Sonntagsmesse zelebrieren wuerde. So konnten wir mit Pater Elias eine wertvolle Bekanntschaft knuepfen, der uns auch gleich zu sich nach Hause einlud. Er ist seit fuenf Jahren hier auf den Philippinen taetig. Schon seit ca. 25 Jahren wirkte er als Missionar in vielen Teilen der Erde. (Er verbrachte unter anderem neuen Jahre in Indien, lange Zeit in Afrika und auch etliche Jahre in Portugal). Aufgewachsen ist er, wie kann es anders sein, in Salzburg! Wir werden sicher mit ihm noch engere Bekanntschaft schließen.
Fuer mich persoenlich waren diese Tage bisher einer der Hoehepunkte meines bisherigen Aufenthaltes auf den Philippinen.
Fotos

Christian