Montag, 24. Dezember 2007

WEIHNACHTEN

MALIGAYANG PASKO AT MANIGONG BAGONG TAON!
Frohe Weihnachten und ein gutes neues Jahr!

Das Wuenschen wir euch allen von Herzen!

Christian und Johannes

Samstag, 22. Dezember 2007

Viel Zeit ist vergangen, viel ist passiert...

Nur mehr wenige Tage bis das Christkind kommt!
Diese Tatsache passt bisweilen fuer uns nur schwer zu den aeusseren Umstaenden, die wir hier auf den Philippinen haben. Weit und breit kein Schnee und keine Kaelte. Die Temperaturen sind eigentlich wie bei uns im Sommer. Auch hat die „Vorbereitungszeit“ auf Weihnachten schon im September begonnen. Seit vier Monaten kann man Christbaeume und Weihnachtsschmuck in den Shopping-Malls bewundern und kaufen. Also sind sie nichts aussergewoehnliches oder besonderes mehr. Trotzdem freuen wir uns, Weihnachten in einer ganz anderen Umgebung feiern zu koennen.

In den ersten eineinhalb Dezemberwochen gab es eine spezielle „formation“ fuer unsere sieben Search-In-Boys in Balanga, der Stadt, in der wir jedes Wochende mit unseren MVP-Boys (Marcel Van Program Boys) sind. Diese Search-In-Boys sind im heurigen Jahr aus verschiedensten Gefaengnissen entlassen worden und haben sich seit November auf das MVP vorbereitet, in das sie nun aufgenommen werden. In diesen eineinhalb Wochen lernten sie durch verschiedenste Aktivitaeten die anderen Burschen naeher kennen, bekamen Englischunterricht, hielten Praesentationen ueber sich selbst, hatten spirituelle Einheiten und besuchten den Bischof der Dioezese Bataan. Alle Burschen sind sehr nett und lustig. Deshalb sind die Gruende, warum sie im Gefaengnis waren, oft schwer zu glauben. Es ist fast nicht vorstellbar, dass zum Beispiel zwei 18jaehrige Burschen minderjaehrige Maedchen misshandelt haben, oder ein 17jaehriger (der noch dazu ziemlich harmlos aussieht) mehrere Ueberfaelle begangen hat. Das Gute an allen Burschen ist aber, dass sie nicht wenig motiviert sind, ihr Leben zu aendern. Deshalb sind sie auch im MVP! An einem der letzten Tage der „formation“ sind wir nach Bagac ans Meer gefahren (das erste mal fuer uns seit unserem Philippinenaufenthalt, dass wir das Meer gesehen haben). Dort hatten wir einen wunderschoenen Gemeinschaftstag. Fotos dazu folgen!

Die darauffolgenden zwei Wochen verbrachten wir mit der Vorbereitung und dem Feiern der Christmasparties in Gefaengnissen und Squater-Areas. Unsere ersten Parties waren im MYRC (Manila Youth Reception Center), dem Gefaengnis, in dem wir woechentlich mit den jugendlichen Insassen Basketball spielen. Interessant ist, dass unter anderem auch McDo (Mc Donalds) dort eine Party organisiert. Von uns bekamen die Burschen aber nicht nur leichbliche sondern auch geistige Nahrung. Nach einem kurzen Spiel zur Auflockerung sangen wir einige Weihnachtslieder (wir oesterreichischen Voluntaere gaben „Ihr Kinderlein kommet“ zum Besten), sahen eine meditative Praesentation ueber Weihnachten und hoerten einen kurzen Impuls. Anschliessend betete Schwester Edith mit den Burschen und es gab kleine Austauschgruppen. Diese Austauschgruppen waren beruehrend und teilweise erschreckend, da die missliche Lage einiger Burschen deutlich zu sehen war. Wir hoerten von vielen Jugendlichen, dass wir, wenn wir woechentlich ins Gefaengnis gehen, zum Einen ihr einziger Besuch sind (!) und zum Andern sie die einzige Moeglichkeit haben, ihre Zelle zu verlassen. Sie waren auch sehr bedrueckt und traurig, weil sie Weihnachten nicht zu Hause mit ihrer Familie feiern werden koennen und ein paar Burschen noch dazu unschuldig hinter Gittern sitzen. Das trifft natuerlich nur auf einen kleinen Teil zu; die meisten haben kleinere oder groessere Verbrechen begangen (das rechtfertigt aber noch lange nicht die schrecklichen Zustaende im MYRC!).
Ein unschuldiger Bursch wurde zum Beispiel mitten in der Nacht von der Polizei aufgeweckt und festgenommen; er arbeitete als „Rad-Taxi-Fahrer“ und schlief darauf. Der Grund ist unvorstellbar: in der Umgebung, in der er sich aufhielt, wurde eine Autobatterie gestohlen. Da der eigentliche Dieb aber fliehen konnte und ein Schuldiger gebraucht wurde, wurde einfach er festgenommen! Bis es aber zu einer Gerichtsverhandlung kommt, koennen Monate vergehen! Diese Art und Weise der Festnahmen kommen leider haeufig vor. Beliebt ist auch die Methode, dass einem Bestohlenem ca. zehn Burschen, die fuer den Diebstahl in Frage kommen koennten, gezeigt werden und dieser auf einen deutet, den er fuer schuldig haelt…

Im NTSB (National Training School for Boys), das wir jeden Monat fuer zwei Tage besuchen, hatten wir so ziemlich die selben Christmasparties wie im MYRC. Wir feierten die Hl. Messe mit ihnen, schauten Filme und diskutierten darueber und hatten auch ein Meeting mit dem Staff. Als die Burschen die Praesentation ueber MVP und die darin vorkommenden Jugendlichen sahen (sie kennen teilweise noch einander), waren sie sehr motiviert auch zu MVP zu kommen. Wir werden sehen, denn im Maerz 2008 werden die naechsten Burschen in unser zweijaehriges Projekt aufgenommen. Bedrueckend ist die Situation auch hier fuer die Burschen, da sie sich alle danach sehnen, Weihnachten mit ihrer Familie zu feiern. Vor allem fuer einen 18jaehrigen ist es schwer. Er duerfte, wahrscheinlich wegen „guter Fuehrung“, ueber Weihachten nach Hause. Aber seine Familie hat zu wenig Geld um ihm den Heimtransport zu finanzieren…

Bei all den einzelnen Geschichten der Burschen wird uns klar, dass es uns zu Hause eigentlich sehr sehr gut geht. Obwohl es gerade zu Weihnachten hin und wieder zu familiaeren Auseinandersetzungen oder sonstigen Streitigkeiten kommen kann, duerfen wir uns nicht beklagen. Wir befinden uns immerhin – im Gegensatz zu den Burschen hier – in einer vertrauten Umgebung, haben ausreichend, ja sogar in Ueberfuelle, zu Essen und koennen meistens unsere Situation, wenn sie uns nicht passt, aendern.

Wir wuenschen euch noch gute letzte Vorbereitungstage auf das groesste Weihnachtsfest im Jahr! :-)

Dienstag, 4. Dezember 2007

Jugendwallfahrt der Dioezese Balanga

Am 1. Dezember veranstaltete die katholische Jugend der Provinz Bataan (Provinzhauptstadt ist Balanga) eine Wallfahrt auf den Mount Samat. Wir nahmen daran mit den Maedls und Burschen unserer Projekte teil. Vor der Wallfahrt gab es noch eine Praesentation von Father Balthasar ueber den Advent. Father Balthasar, ein Calasantiner, hat schon viele spirituelle Aktivitaeten mit unseren Jugendlichen gemacht und es ist immer wieder interessant, wie gut er auf sie zugehen kann. Anschliessend machten wir uns fuer gute zwei Stunden auf den Weg. Father Balthasar ist uebrigens auch ein guter Entertainer. Von unseren Jugendlichen wurde er staendig aufgefordert, einen seiner zahlreichen „Marschiergesaenge“ vorzusingen. Die Burschen und Maedls sangen und ahmten seine Bewegungen mit uebergrosser Begeisterung nach. Diese Jugendwallfahrt war vergleichbar mit einem kleinen Weltjugendtreffen. Viele Jugendliche hatten ein gemeinsames Ziel vor Augen. Auf dem Mount Samat, wo wir mit dem Bischof die Messe feierten, befindet sich eine nationale Gedenkstaette fuer die Kriegsopfer der Schlacht auf Bataan. Es ist ein ueber 90 Meter hohes Kreuz, von dem man auch eine hervorragende Aussicht auf die ehemaligen Schlachtfelder hat. Japanische Soldaten zwangen hier im zweiten Weltkrieg auch philippinische und amerikanische Soldaten zu einem „Todesmarsch“ quer durch Bataan. Die ganzen Geschehnisse an diesem historischen Ort stellten einige Jugendliche taenzerisch dar.

Bevor es als Abschluss ein grosses Feuerwerk gab, weihte Bischof Sokrates noch die Adventkraenze. (Es ist fuer uns noch immer unvorstellbar, dass der Advent begonnen hat. An der Sonne hat es um die 28 Grad und Christkindlmarkt ist auch keiner zu finden. Irgendwie vermissen wir den Gluehwein…)

Wie man auf den Fotos auch sehen kann, wurde die Wallfahrt von Mc Donalds (hier auf den Philippinen verwendet man die Abkuerzung Mc‘ Do) gesponsort. Auch ist auf einem der Fotos der Groessenunterschied zwischen Philippinern und Oesterreichern zu sehen. :-)

Fotos

Bilibid

Ende November besuchten wir das groesste Gefaengniss der Philippinen. Insgesamt befinden sich dort 18.000 Haeftlinge. Gemeinsam mit Schwester Edith und ein paar Burschen aus unserem Programm machten wir uns schon frueh am Morgen auf den Weg Richtung Sueden. Nur ca. eine Autostunde suedlich von Manila befindet sich ein eigener riesiger Campus, auf dem dieses Gefaengnis erbaut ist. Das Gefaengnis besteht aus drei separaten Abteilungen: dem „Maximum-“, „Medium-“ und „Minimum-Bereich“. Je nach der Schwere ihres Vergehens werden die Maenner und jugendlichen Burschen auf die bestimmten Bereiche aufgeteilt. Im „Maximum“, indem ca. 12.000 Inhaftierte leben, befinden sich demnach die haerteren Faelle (Moerder, Drogenbosse, Vergewaltiger…). Viele von ihnen haben hier ihr ganzes Leben zu verbringen. Im „Medium“ leben um die 6.000 Haeftlinge, die schon etwas Hoffnung auf ein Leben ausserhalb der Mauern haben. Das „Minimum“ schließlich ist fuer diejenigen, die bald entlassen werden.

Zuerst besuchten wir den „Maximum-Bereich“. Wir wurden gruendlich kontrolliert (sogar die Schuhe hatten wir auszuziehen) und mussten uns ausweisen bevor wir eingelassen wurden. Schon nach einigen Metern begruessten uns freudig einige Haeftlinge. Manche von ihnen werden nie besucht und freuten sich somit auch ueber unseren Besuch. Wir staunten nicht schlecht, als wir – begleitet von einigen Securities – die ganze Anlage sahen. Sie ist wie ein kleines Dorf mit 12.000 Menschen jedoch eingezaeunt von einer ueber vier Meter hohen und sehr dicken Betonmauer. Rundherum befindet sich rostiger Stacheldraht. Im „Dorf“, in dem sich die Haeftlinge frei bewegen koennen, findet man dann kleine Shops, einen Markt, verschiedensten Kirchen (auch zahlreiche Sekten) und ein Krankenhaus, das wir eigens besuchten. Natuerlich gibt es auch einen Basketball- und Tennisplatz. Neben den Strassen sieht man immer wieder Leute mit selbst gebastelten Hanteln aus Stein trainieren.

Auf den ersten Moment wirkt das alles eigentlich sehr nett und man glaubt es kaum, in einem Gefaengnis zu sein. Aber wenn man daran denkt, dass die Leute in diesem Freiraum staendig eingesperrt sind und dass es zum Teil ungehorsam harte Strafen gibt, dann ist das schon weniger lustig. Fuer die 12.000 Insassen gibt es auch nur relativ wenig Sicherheitspersonal. Die Ordnung wird dadurch aufrechterhalten, da sich die Haeftlinge selbst zu organisieren haben. Sie selbst sind diejenigen, die fuer Recht und Ordnung sorgen, da bei einem bestimmten Vergehen eines Haeftlings alle Insassen einer Zelle bestraft werden. Diese Gruppendynamik fuehrt sogar soweit, dass bei einem Ausbruch eines Haeftlings dieser auf jeden Fall stirbt. Entweder wird er von den Securities erschossen oder, wenn er doch lebend wieder zurueckkehrt, von den eigenen Kollegen umgebracht Das ganze laeuft also ziemlich makaber ab.

Nicht selten beherbergen diese Mauern auch Politiker und andere reiche Personen, die ueber verschiedenste Kontakte ihre Gelder ins Gefaengnis fliessen lassen. Einer von ihnen hat hier zum Beispiel eine echt coole Sporthalle erbauen lassen. Auch konnte er seine Haftzeit etwas verkuerzen. Statt lebenslang verbrachte er nur sechs Jahre hinter Gitter. Das ist leider ein ziemlich großes Problem hier im Land, dass man mit Geld wirklich fast alles machen kann. Die Philippinen sind in ganz Asien das Land mit der groessten Korruption. Vor einigen Tagen hat es zum Beispiel auch einen (gescheiterten) Putschversuch in Manila gegeben. In der ganzen Stadt gab es dann zwischen Mitternacht und fuenf Uhr Morgens eine Ausgangssperre!

Unsere eigentliche Zielgruppe bei unserem Besuch im Gefaengnis waren die Jugendlichen. Im „Medium“ hatten wir mit jenen ein eigenes Treffen, die innerhalb der naechsten Monate entlassen werden und somit in unser After-Care-Program aufgenommen werden koennten. Sie selbst zeigten uns einige Taenze (unglaublich, wie perfekt die Burschen Hip-Hop tanzen koennen) und ein kurzes selbstgeschriebenes Theaterstueck. Dieses war sehr beeindruckend, da es von ihrem Leben hinter Gittern handelte. Es hatte den Titel: „Jail without bars“ – „Gefaengnis ohne Gitterstaebe“. Im Anschluss stellten wir uns mit unserem Programm vor und es ergaben sich noch einige sehr interessante Gespraeche. Die Burschen haben zum Teil wirklich gute Vorsaetze und moechten nach ihrer Haft „good boys“ sein. Fuer einige gestaltet sich dies aber schwierig, da sie durch die lange Haftzeit zahlreiche Kontakte ausserhalb des Gefaengnisses verloren haben. Sie bleiben lieber hinter Gitter, da sie dort, unter anderem auch aufgrund der ausreichenden Nahrung, nicht so sehr mit dem Ueberleben kaempfen muessen.

Was hier im „Medium“ echt ziemlich zach war, ist der Umstand, dass das ganze Areal fuer 3.000 Leute gebaut wurde, aber zur Zeit 6.000 Menschen darin leben. Wir betraten auch kurz einen Raum, in dem 67 Maenner schlafen muessen, der aber sicher nicht mehr als 20m² hat. Viele der Insassen verbringen ihren Tag damit, indem sie kleine Souvenirs herstellen und an die Besucher verkaufen. Da gibt es Aktenordner und Sonnenhuete aus Zeitungspapier, verschiedenste Holzschnitzereien oder auch Marienstatuen aus Gips. Einige der kuenstlerisch begabten Haeftlinge verkaufen auch ihre wirklich sehenswerten Malereien.
Nach einem sehr erlebnissreichen Nachmittag wurden wir dann von einigen Haeftlingen mit Handschlag und herzlichen Glueckwuenschen (Take Care, Come again...) verabschiedet. Obwohl wir eigentlich gar nicht viel fuer sie getan haben, wuerden sie sich ueber weitere Besuche von uns freuen.

Gruesse aus der Ferne …