Dienstag, 4. Dezember 2007

Bilibid

Ende November besuchten wir das groesste Gefaengniss der Philippinen. Insgesamt befinden sich dort 18.000 Haeftlinge. Gemeinsam mit Schwester Edith und ein paar Burschen aus unserem Programm machten wir uns schon frueh am Morgen auf den Weg Richtung Sueden. Nur ca. eine Autostunde suedlich von Manila befindet sich ein eigener riesiger Campus, auf dem dieses Gefaengnis erbaut ist. Das Gefaengnis besteht aus drei separaten Abteilungen: dem „Maximum-“, „Medium-“ und „Minimum-Bereich“. Je nach der Schwere ihres Vergehens werden die Maenner und jugendlichen Burschen auf die bestimmten Bereiche aufgeteilt. Im „Maximum“, indem ca. 12.000 Inhaftierte leben, befinden sich demnach die haerteren Faelle (Moerder, Drogenbosse, Vergewaltiger…). Viele von ihnen haben hier ihr ganzes Leben zu verbringen. Im „Medium“ leben um die 6.000 Haeftlinge, die schon etwas Hoffnung auf ein Leben ausserhalb der Mauern haben. Das „Minimum“ schließlich ist fuer diejenigen, die bald entlassen werden.

Zuerst besuchten wir den „Maximum-Bereich“. Wir wurden gruendlich kontrolliert (sogar die Schuhe hatten wir auszuziehen) und mussten uns ausweisen bevor wir eingelassen wurden. Schon nach einigen Metern begruessten uns freudig einige Haeftlinge. Manche von ihnen werden nie besucht und freuten sich somit auch ueber unseren Besuch. Wir staunten nicht schlecht, als wir – begleitet von einigen Securities – die ganze Anlage sahen. Sie ist wie ein kleines Dorf mit 12.000 Menschen jedoch eingezaeunt von einer ueber vier Meter hohen und sehr dicken Betonmauer. Rundherum befindet sich rostiger Stacheldraht. Im „Dorf“, in dem sich die Haeftlinge frei bewegen koennen, findet man dann kleine Shops, einen Markt, verschiedensten Kirchen (auch zahlreiche Sekten) und ein Krankenhaus, das wir eigens besuchten. Natuerlich gibt es auch einen Basketball- und Tennisplatz. Neben den Strassen sieht man immer wieder Leute mit selbst gebastelten Hanteln aus Stein trainieren.

Auf den ersten Moment wirkt das alles eigentlich sehr nett und man glaubt es kaum, in einem Gefaengnis zu sein. Aber wenn man daran denkt, dass die Leute in diesem Freiraum staendig eingesperrt sind und dass es zum Teil ungehorsam harte Strafen gibt, dann ist das schon weniger lustig. Fuer die 12.000 Insassen gibt es auch nur relativ wenig Sicherheitspersonal. Die Ordnung wird dadurch aufrechterhalten, da sich die Haeftlinge selbst zu organisieren haben. Sie selbst sind diejenigen, die fuer Recht und Ordnung sorgen, da bei einem bestimmten Vergehen eines Haeftlings alle Insassen einer Zelle bestraft werden. Diese Gruppendynamik fuehrt sogar soweit, dass bei einem Ausbruch eines Haeftlings dieser auf jeden Fall stirbt. Entweder wird er von den Securities erschossen oder, wenn er doch lebend wieder zurueckkehrt, von den eigenen Kollegen umgebracht Das ganze laeuft also ziemlich makaber ab.

Nicht selten beherbergen diese Mauern auch Politiker und andere reiche Personen, die ueber verschiedenste Kontakte ihre Gelder ins Gefaengnis fliessen lassen. Einer von ihnen hat hier zum Beispiel eine echt coole Sporthalle erbauen lassen. Auch konnte er seine Haftzeit etwas verkuerzen. Statt lebenslang verbrachte er nur sechs Jahre hinter Gitter. Das ist leider ein ziemlich großes Problem hier im Land, dass man mit Geld wirklich fast alles machen kann. Die Philippinen sind in ganz Asien das Land mit der groessten Korruption. Vor einigen Tagen hat es zum Beispiel auch einen (gescheiterten) Putschversuch in Manila gegeben. In der ganzen Stadt gab es dann zwischen Mitternacht und fuenf Uhr Morgens eine Ausgangssperre!

Unsere eigentliche Zielgruppe bei unserem Besuch im Gefaengnis waren die Jugendlichen. Im „Medium“ hatten wir mit jenen ein eigenes Treffen, die innerhalb der naechsten Monate entlassen werden und somit in unser After-Care-Program aufgenommen werden koennten. Sie selbst zeigten uns einige Taenze (unglaublich, wie perfekt die Burschen Hip-Hop tanzen koennen) und ein kurzes selbstgeschriebenes Theaterstueck. Dieses war sehr beeindruckend, da es von ihrem Leben hinter Gittern handelte. Es hatte den Titel: „Jail without bars“ – „Gefaengnis ohne Gitterstaebe“. Im Anschluss stellten wir uns mit unserem Programm vor und es ergaben sich noch einige sehr interessante Gespraeche. Die Burschen haben zum Teil wirklich gute Vorsaetze und moechten nach ihrer Haft „good boys“ sein. Fuer einige gestaltet sich dies aber schwierig, da sie durch die lange Haftzeit zahlreiche Kontakte ausserhalb des Gefaengnisses verloren haben. Sie bleiben lieber hinter Gitter, da sie dort, unter anderem auch aufgrund der ausreichenden Nahrung, nicht so sehr mit dem Ueberleben kaempfen muessen.

Was hier im „Medium“ echt ziemlich zach war, ist der Umstand, dass das ganze Areal fuer 3.000 Leute gebaut wurde, aber zur Zeit 6.000 Menschen darin leben. Wir betraten auch kurz einen Raum, in dem 67 Maenner schlafen muessen, der aber sicher nicht mehr als 20m² hat. Viele der Insassen verbringen ihren Tag damit, indem sie kleine Souvenirs herstellen und an die Besucher verkaufen. Da gibt es Aktenordner und Sonnenhuete aus Zeitungspapier, verschiedenste Holzschnitzereien oder auch Marienstatuen aus Gips. Einige der kuenstlerisch begabten Haeftlinge verkaufen auch ihre wirklich sehenswerten Malereien.
Nach einem sehr erlebnissreichen Nachmittag wurden wir dann von einigen Haeftlingen mit Handschlag und herzlichen Glueckwuenschen (Take Care, Come again...) verabschiedet. Obwohl wir eigentlich gar nicht viel fuer sie getan haben, wuerden sie sich ueber weitere Besuche von uns freuen.

Gruesse aus der Ferne …

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Lieber Christian, wir haben mit großem Interesse Eure Berichte,speziell den letzten über die Gefägnisse, gelesen. Es ist toll, dass ihr solche Besuche machen dürft und dass ihr einen Einblick bekommt in die Welt der Strafgefangenen in einem Entwicklungsland.
Sind die Abgründe der menschlichen Seele nicht überall ähnlich? Auf den Philippinen mag dies noch stark äußerlich zutage treten. Im Westen mag Vieles schon etwas humaner aussehen.(Vgl. Selbstjustiz bei Entflohenen und wieder Inhaftierten.)
Interessant auch der gute Wille bei vielen jugendlichen Kriminellen, sich zu bemühen,wenn sie frei werden, nicht wieder straffällig zu werden. Erstaunlich auch die Kreativität vieler dieser Häftlinge!
Wir freuen uns schon auf den nächsten Bericht. Inzwischen alles Gute, viel Kraft und Elan für diesen euren Einsatz. Ihr werdet all dies ein Leben lang nicht vergessen.
Gott behüte Dich und Euch alle!