Um unsere Burschen besser kennen zu lernen haben wir einige von ihnen vor kurzer Zeit zu Hause besucht. Denn um ihre Situation mehr zu verstehen ist es gut, wenn man weiss, wie es bei ihnen zu Hause aussieht. Wir haben schon oefters geschrieben, dass unsere Burschen, wenn sie bei uns im Projekt oder in Balanga sind, ganz „normal“ wirken. Die Besuche haben uns dann die Augen weit oeffnen lassen…
Wir machten uns also zu fuenft (zwei Social-Worker und wir drei Voluntaere) auf den Weg, um vier Burschen zu besuchen. Zuerst ging es nach Vito-Cruz, wo drei von ihnen leben (Gener, Jeneroso und Isagani). Der Besuch hat gleich lustig angefangen, denn als wir ankamen, fanden wir Jeneroso in seinem Pedicab (Fahrrad mit Beiwagen, in dem man Personen transportieren kann) neben der Strasse schlafend auf. Jeneroso und Gener schlafen normalerweise auf der Strasse (in einer Haengematte oder eben im Pedicab), denn ihr Haus (besser gesagt Raum) ist so klein, dass nicht alle Familienmitglieder darin Platz finden.
Geht man entlang der Strasse glaubt man, halbwegs normale Haeuser neben sich zu haben. Wagt man sich aber durch einen kleinen finsteren Gang, dann befindet man sich in einem Squaterarea. So ist das oefters in der Stadt: hinter einer schoenen Fassade verbirgt sich ein Armenviertel (auch die Regierung finanziert solche Fassaden, um den Anblick der Stadt zu „verschoenern“). Und dieses Mal war es auch so. Auf engstem Raum lebt hier eine grosse Menge von Menschen; mehr in Huetten und Bruchbuden als in Haeusern.
Geners zu Hause befindet sich neben einem oeffentlichen Klo. (Der Gestank und Schmutz im gesamten Viertel ist fast unbeschreiblich.) Dort hat seine Familie einen Raum, in dem sie alles aufbewahren, was sie besitzen. Erschreckend ist, dass dieser nicht groesser als eine Abstellkammer ist (ca zwei mal zwei Meter!!!). Da wird es leicht verstaendlich, dass er in der Nacht keinen Platz dort mehr hat.
Danach machten wir uns zu Jeneroso, der einige Huetten weiter lebt, auf. Als wir in ihrem Squater ankamen, war gerade der Strom ausgefallen. Dies machte die Sache umso abenteuerlicher, denn wir mussten durch einen engen und stockfinsteren Gang gehen um zu ihm zu gelangen. Es war fast wie in einem schlechten Traum: Ueberall am Boden war Wasser, es stank elendiglich, wir schauten dass wir moeglichst schnell im Gaensemarsch vorwaerts kamen, die Leute drehten sich nach uns um und sprachen uns auf Tagalog an (wir verstanden nichts), dann verrichtete ein Hund neben uns sein grosses Geschaeft und ein alter Mann nahm eine Dusche. Anschliessend ging es um eine Ecke, gerade aus durch den stockfinseteren Gang und mit Hilfe einer Taschenlampe ueber eine kleine Haendeltreppe hinauf, um so schliesslich, immer noch im Dunklen zu Jenerosos Wohnung zu gelangen.
Mit erstaunlicher Freundlichkeit wurden wir von ihm und seiner Mutter in den Raum gebeten. Dieser war auch nicht viel groesser als ein Abstellraum. Als wir zu fuenft drinnen waren, wurde es auch schon ziemlich eng. Der Boden war aus Plastik und ebenso das Dach (Plastikfolien). Wenn es stark regnet, so sagte die Mutter, dann kommt hier das Wasser herein. Aufrecht stehen, konnte man hier nicht, aber fuer die Philippinos reichts gerade.
Was uns auch erstaunte, war die Tatsache, dass die Menschen hier viel weniger Privatsphaere haben, als unsereiner das gewohnt ist. Denn die Menschen leben Huette an Huette und nicht selten gibt es dazwischen nur ein paar Bretter. Man hoert also fast alles vom Nachbarn.
Nach einer eindrucksvollen Stunde machten wir uns auf den Weg zu Isagani. Er haelt sich zwar auch meist in Vito Cruz auf (denn auch er hat in seinem Haus keinen Platz zum schlafen), aber seine Mutter lebt eine halbe Autostunde entfernt. Manchmal kommen zur Armut auch noch chaotische Familienverhaeltnisse hinzu. So lebt seine Mutter seit einiger Zeit mit einem neuen “Stiefvater” zusammen. Die Sache ist nur, dass dieser Vater eine Frau ist…
Entlang einer Eisenbahnlinie liegt Taguig, die Heimat von Isagani. Links und rechts der Schienen leben sie in einfachsten Huetten und auf selbst gebauten Schienenfahrzeugen koennen sie relativ schnell in die Stadt fahren. Bei uns waere so etwas unvorstellbar. Wenn ein Zug kommt, tragen sie ihr Fahrgestell einfach schnell zur Seite. Manchmal kann es aber auch vorkommen, dass ein vorbeifahrender Zug die Haeuser beschaedigt. So wurde zum Beispiel das Dach von Isaganis Haus vor ein paar Monaten vom Zug weggerissen, da es vom starken Regen nach vorne gespuelt worden ist. Im Haus selbst wurde gerade gewaschen und gekocht. Das Schmutzwasser (es wird natuerlich mit der Hand gewaschen) floss einfach ueber den Boden aus dem Haus hinaus. Der Rauch vom verbrennenden Holz zum Kochen hielt sich hingegen. Unvorstellbar solche Wohnverhaeltnisse.
Last but not least statteten wir dem Eyahn einen Besuch ab. Dieser ist, im Vergleich zu den anderen (!), erstaunlich reich. Das Haus seiner Familie hat mehrere Zimmer und Eyahn einen eigenen Platz zum Schlafen – das Sofa. Stolz zeigte er uns auch die verschiedenen Raeume und erklaerte uns, welchen Teil er mit seinem Vater gebaut hatte. Das gesamte Haus – es befindet sich ebenfalls in einem Squater-Area – gleicht einem aeusserst gut und stabil gebauten Baumhaus.
Nach diesem eindrucksvollen Tag, von dem es auch einige Fotos gibt, sind wir um einiges dankbarer fuer den Wohlstand in dem wir leben duerfen und wissen diesen neu zu schaetzen. Auch wundert es uns nicht mehr wenn unsere Burschen – wenn sie im Office oder in Balanga uebernachten – teilweise auf- und uebereinander schlafen und dass es ihnen ueberhaupt nichts ausmacht, auf irgendwelchen alten Matratzen ohne Ueberzug zu liegen. Sie haben damit mehr Standard als zu Hause oder im Gefaengnis.
Oft ueberdenken wir unsere eigenen Ansprueche und kommen immer mehr drauf, dass Leben mit weniger genauso, oft unkomplizierter funktioniert. Insofern kann man vieles von unseren Burschen hier lernen.
zu den Fotos
Freitag, 25. Januar 2008
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